Staatliche Förderung von Langzeitarbeitslosen

Die OECD defi­niert Lang­zeit­ar­beits­lo­se als Erwerbs­per­so­nen, die seit min­des­tens 12 Mona­ten ohne Unter­bre­chung arbeits­los sind.

Lang­zeit­ar­beits­lo­sig­keit ist kei­ne Ein­zel­er­schei­nung. Eine Stu­die aus dem Jahr 2016 zeig­te, dass 22 Pro­zent aller Män­ner in der Zeit von ihrem Ein­tritt in den Arbeits­markt bis zum Beginn des fünf­ten Lebens­jahr­zehnts min­des­tens ein­mal lang­zeit­ar­beits­los waren.

Die Folgen der Langzeitarbeitslosigkeit

Fol­gen län­ge­rer Arbeits­lo­sig­keit sind gra­vie­rend und betref­fen prak­tisch alle Berei­che des per­sön­li­chen Lebens. Lang­zeit­ar­beits­lo­se sind häu­fi­ger krank, lei­den öfter an Dia­be­tes, chro­ni­schen Schmer­zen und Depressionen.

Es ent­wi­ckeln sich Schuld­ge­füh­le und Min­der­wer­tig­keits­kom­ple­xe. Sozia­le Kon­tak­te bre­chen weg. Auch Fami­li­en­an­ge­hö­ri­ge sind betrof­fen. Häu­fig sind die Bezie­hun­gen von Lang­zeit­ar­beits­lo­sen zerrüttet.

Finan­zi­ell müs­sen Sie star­ke Ein­bu­ßen hin­neh­men. Selbst wenn sie bereits wie­der arbei­ten, dau­ert es in der Regel meh­re­re Jah­re, bis sie wie­der das Ein­kom­mens­ni­veau wie vor der Arbeits­lo­sig­keit errei­chen. Des­we­gen will die Bun­des­re­gie­rung die Lang­zeit­ar­beits­lo­sig­keit durch das Teil­ha­be­chan­cen­ge­setz bekämpfen.

Worum geht es im Teilhabechancengesetz?

Der Kern­ge­dan­ke des Geset­zes kommt bereits in sei­nem Namen zum Aus­druck. Das Teil­ha­be­chan­cen­ge­setz soll Lang­zeit­ar­beits­lo­sen die Chan­ce geben, auf den Arbeits­markt zurück­zu­keh­ren, am nor­ma­len Leben teil­zu­ha­ben und sich ihren Lebens­un­ter­halt selbst zu verdienen.

Dem Teil­ha­be­chan­cen­ge­setz geht es im Prin­zip dar­um, einen öffent­lich geför­der­ten Arbeits­markt für Lang­zeit­ar­beits­lo­se zu schaf­fen. Das ist not­wen­dig, denn wis­sen­schaft­li­che Unter­su­chun­gen bele­gen, dass es bei län­ger dau­ern­der Arbeits­lo­sig­keit zu einer “Ent­qua­li­fi­zie­rung” kommt. Beruf­li­che Qua­li­fi­ka­tio­nen, Fähig­kei­ten und Fer­tig­kei­ten ver­lie­ren an Wert, weil sie durch die schnel­le Ent­wick­lung in Tech­nik und Gesell­schaft veralten.

Zudem bekom­men Lang­zeit­ar­beits­lo­se häu­fi­ger Pro­ble­me, sich in das Arbeits­le­ben ein­zu­glie­dern, je län­ger sie arbeits­los waren.

Wie werden Langzeitarbeitslose gefördert?

Im ers­ten Jahr nach dem Wie­der­ein­tritt in den Arbeits­markt erhält der Arbeit­ge­ber einen Zuschuss von 75 Pro­zent zum Arbeitsentgelt.

Im zwei­ten Jahr beträgt der Zuschuss 50 Pro­zent. Zusätz­lich zahlt der Bund einen pau­scha­lier­ten Bei­trag zur Sozi­al­ver­si­che­rung (jedoch ohne Arbeits­lo­sen­ver­si­che­rung) um den Arbeit­ge­ber zu entlasten.

Wäh­rend der gesam­ten För­der­dau­er wer­den die Anspruchs­be­rech­tig­ten indi­vi­du­ell betreut und geför­dert. In den ers­ten 6 Mona­ten ab Beginn der För­de­rung muss der Arbeit­ge­ber den Arbeit­neh­mer in ange­mes­se­nen Umfang frei­stel­len, um des­sen Teil­nah­me an den Maß­nah­men zu gewährleisten.
Lie­gen die För­der­vor­aus­set­zun­gen vor, sind Arbeit­neh­mer zur Teil­nah­me an ergän­zen­den Qua­li­fi­zie­rungs­maß­nah­men berechtigt.

Wer ist zur Förderung berechtigt?

Das Teil­ha­be­chan­cen­ge­setz rich­tet sich grund­sätz­lich an alle, die seit min­des­tens 2 Jah­ren arbeits­los sind und wie­der eine sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­ti­ge Beschäf­ti­gung auf­neh­men wol­len. Im kon­kre­ten Fall sind fol­gen­de Grup­pen von Per­so­nen zur För­de­rung durch das Teil­ha­be­chan­cen­ge­setz berechtigt:

  • Teil­neh­mer am För­der­pro­gramm müs­sen das 25. Lebens­jahr vollendet
    haben.
  • Sie müs­sen min­des­tens wäh­rend 6 der letz­ten 7 Jah­re ALG II (Hartz IV)
    bezo­gen haben.
  • Wäh­rend die­ser Zeit dür­fen sie nicht oder nur kurzfristig
    sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­tig beschäf­tigt gewe­sen sein. Die Rege­lung gilt
    auch für gering­fü­gig Beschäf­tig­te und Selbständige.
  • In den letz­ten 5 Jah­ren dür­fen Arbeit­ge­ber kei­ne Zuschüs­se zum Lohn nach
    § 16 i Absatz 1 SGB II erhal­ten haben.

Per­so­nen, die in einer Bedarfs­ge­mein­schaft mit min­des­tens einem min­der­jäh­ri­gen Kind leben oder die schwer­be­hin­dert sind, haben bereits Anspruch auf För­de­rung, wenn sie in den letz­ten 5 Jah­ren ALG II (Hartz IV) bezo­gen haben.

Wie sieht die Teilhabe am Arbeitsmarkt konkret aus?

Für Arbeit­neh­mer, die den Min­dest­lohn erhal­ten (2020: 9,35 EUR/h), bekommt der Arbeit­ge­ber im 1. und 2. Jahr 100 Pro­zent Zuschuss. Im 3. Jahr beträgt der Zuschuss 90 Pro­zent, im 4. Beschäf­ti­gungs­jahr 80 Pro­zent und im 5. Jahr immer­hin noch 70 Prozent.
Außer­dem zahlt der Staat einen pau­scha­len Bei­trag zur Sozialversicherung.

Wäh­rend der gesam­ten För­der­dau­er hat der Arbeit­neh­mer Anspruch auf Coa­ching und per­sön­li­che Betreu­ung. Zur Teil­nah­me an den Maß­nah­men muss ihn der Arbeit­ge­ber im 1. Jahr frei­stel­len. För­der­be­rech­tig­te Arbeit­neh­mer dür­fen an Wei­ter­bil­dun­gen oder betrieb­li­chen Prak­ti­ka teil­neh­men, die ihre beruf­li­chen Chan­cen verbessern.

Wenn ein Tarif­ver­trag oder ande­re arbeits­recht­li­che Rege­lun­gen exis­tie­ren, rich­tet sich die Höhe der Zuschüs­se nach dem jeweils gezahl­ten Ent­gelt. Soll­te der Arbeit­neh­mer zu einem ande­ren Arbeit­ge­ber wech­seln, ist bei Vor­lie­gen bestimm­ter Vor­aus­set­zun­gen eine Anschluss­för­de­rung bis zu 6 Mona­ten möglich.

Wird das Teilhabechancengesetz seinen Zweck erfüllen?

Vie­le Exper­ten haben star­ke Zwei­fel, dass das neue Teil­ha­be­chan­cen­ge­setz wirk­lich zu einer Redu­zie­rung der Lang­zeit­ar­beits­lo­sig­keit füh­ren wird. Sie kri­ti­sie­ren vor allem, dass als ein­zi­ges Kri­te­ri­um für eine För­der­be­rech­ti­gung die Bezugs­dau­er von ALG II (Hartz IV) her­an­ge­zo­gen wird.

Das bedeu­tet, För­der­maß­nah­men wer­den nach dem Gieß­kan­nen­prin­zip ver­teilt. Vie­le Lang­zeit­ar­beits­lo­se haben jedoch kon­kre­te Grün­de, die ihnen den Zugang zum ers­ten Arbeits­markt ver­sper­ren oder erschwe­ren. Dazu zäh­len zum Bei­spiel Behin­de­run­gen, chro­ni­sche Krank­hei­ten oder auch ganz ein­fach das Alter.

Das Teil­ha­be­chan­cen­ge­setz geht nicht auf die spe­zi­el­len Bedürf­nis­se die­ser Grup­pen ein.
Die lan­ge Dau­er der För­de­rung von bis zu 5 Jah­ren wird eben­falls kri­tisch betrach­tet. Es besteht die Gefahr, dass ein zwei­ter, “sozia­ler” Arbeits­markt entsteht.

Dort wer­den Arbeit­neh­mer so lan­ge “geparkt” wie sie einen Anspruch auf För­de­rung haben. Nach dem Aus­lau­fen der För­de­rung droht dann der erneu­te Abstieg in die Arbeits­lo­sig­keit mit allen bereits erwähn­ten nega­ti­ven Folgen.

Fazit

Ob sich das Teil­ha­be­chan­cen­ge­setz in der Pra­xis bewährt und tat­säch­lich die Lang­zeit­ar­beits­lo­sig­keit redu­zie­ren wird, kann nur die Zeit zei­gen. In der Pra­xis wer­den sicher eini­ge Ände­run­gen, Ergän­zun­gen und Anpas­sun­gen erfor­der­lich wer­den. Im Moment bleibt nichts wei­ter übrig als abzuwarten.

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