Zwei Jahrzehnte mit großen Herausforderungen

»Arbeits­lo­sig­keit« ist ein öko­no­mi­scher Aus­druck, der den Arbeits­markt betrifft. Wie auf jedem Markt geht es dort um »Ange­bot« und »Nach­fra­ge«. Arbeits­lo­sig­keit ist ein Maß­stab dafür, wie stark das Ange­bot an Arbeits­kräf­ten die Nach­fra­ge übersteigt.

Das Gegen­teil der Arbeits­lo­sig­keit ist die Zahl der offe­nen Stel­len. Die Arbeits­lo­sen­quo­te gilt als Indi­ka­tor für den Zustand einer Volks­wirt­schaft, Sie gibt den pro­zen­tua­len Anteil wie­der, wie vie­le arbeits­fä­hi­ge Men­schen der­zeit ohne ein Arbeits­ver­hält­nis sind.

In die­sem Bei­trag möch­ten wir einen Rück­blick auf die Ent­wick­lung der Arbeits­lo­sig­keit von 1999 bis 2019 geben. Wir beschäf­ti­gen uns mit den Pro­ble­men der jewei­li­gen Epo­chen und wie die Poli­tik mit ent­spre­chen­den Maß­nah­men­pa­ke­ten gegen­ge­steu­ert hat.

Die Entwicklung bis 2005

Bis eini­ge Jah­re nach der Wie­der­ver­ei­ni­gung ver­lief die Ent­wick­lung der Arbeits­lo­sig­keit in den alten und neu­en Bun­des­län­dern unter­schied­lich. Wäh­rend West­deutsch­land die erhöh­te Nach­fra­ge nach Pro­duk­ten ein Boom aus­ge­löst wur­de, wel­cher die Arbeits­lo­sen­quo­te senk­te, kam es in Ost­deutsch­land zu einem signi­fi­kan­ten Anstieg der Arbeits­lo­sig­keit. Als Grund hier­für kann man die Umstruk­tu­rie­rung von der sozia­lis­ti­schen Plan- zur Markt­wirt­schaft benennen.

Ein Groß­teil der Arbeit­neh­mer war zuvor in “volks­ei­ge­nen Betrie­ben” ange­stellt, wel­che nach der Wie­der­ver­ei­ni­gung geschlos­sen wur­den. Betriebs­be­ding­te Umstruk­tu­rie­run­gen auf west­li­che Pro­duk­ti­ons­tech­nik und Arbeits­me­tho­den, sowie eine Ver­la­ge­rung von Pro­duk­ti­ons­stät­ten ins Aus­land for­der­ten zu dem vie­le Arbeits­plät­ze. In der Spit­ze lag die Arbeits­lo­sig­keit in den neu­en Bun­des­län­dern bei 20 Prozent.

Vie­le Arbeit­neh­mer nah­men daher einen Umzug nach West­deutsch­land oder län­ge­res “Pen­deln” in Kauf um einer Arbeit nach­zu­ge­hen. Erst im Lau­fe der Jah­re zeig­te das Umden­ken von Betrie­ben und Mit­ar­bei­tern auf das neue Sys­tem Wir­kung, sodass auch hier die Arbeits­lo­sen­quo­te sank.

Im Lau­fe der Zeit zeig­te sich die nega­ti­ve Ent­wick­lung in ganz Deutschland.
Im Jahr 1999 betrug die Arbeits­lo­sen­quo­te in Deutsch­land 10,5 Pro­zent. Was unge­fähr 4,1 Mil­lio­nen Arbeits­lo­se ent­sprach. Im Jahr 2005 fand die wach­sen­de Arbeits­lo­sig­keit mit 11,7 Pro­zent Ihren Höhe­punkt. Das ent­sprach einer Zahl von 4,9 Mil­lio­nen Arbeits­lo­sen. In West­deutsch­land betrug die Quo­te 11 Pro­zent und in Ost­deutsch­land 13 Prozent.
Seit die­sem Zeit­punkt zeig­te die Arbeits­lo­sig­keit einen abwärts gerich­te­ten Trend.

Positive Entwicklung bis 2019

Ein ste­ti­ge posi­ti­ve Ent­wick­lung der Arbeits­lo­sen­quo­te sorg­te im Jahr 2019 dafür, das nur noch unge­fähr 2,23 Mil­lio­nen Men­schen arbeits­los gemel­det waren. Das ent­spricht einer Quo­te von 4,9 Prozent.

Wel­che Umstän­de genau für die Ver­rin­ge­rung der Arbeits­lo­sig­keit ver­ant­wort­lich sind, ist selbst bei Exper­ten umstrit­ten. Für den Höhe­punkt der Arbeits­lo­sen­quo­te im Jahr 2005 kann die Arbeits­markt­re­form her­an­ge­zo­gen werden.

Zu dem Zeit­punkt wur­de Arbeits­lo­sen­hil­fe und Sozi­al­hil­fe zusam­men­ge­legt, sowie das Hartz IV Pro­gramm ein­ge­führt. Dadurch erhöh­te sich sta­tis­tisch betrach­tet die Zahl der Arbeits­lo­sen sprung­haft um mehr als 600.000 Per­so­nen. Doch wie­der san­ken die Zah­len in den kom­men­den Jah­ren. Es sei zu erwäh­nen, dass es seit der Reform meh­re­re, vor­her nicht ver­zeich­ne­te Arbeits­ver­hält­nis­se, gibt:

  • Mini­job – Ver­dienst bis 450 EUR/Monat
  • Midi­job – Ver­dienst von 450 – 800 EUR/Monat
  • regu­lä­re Beschäf­ti­gung – ab 800 EUR/Monat

Durch die­se Neu­re­ge­lung gel­ten Mil­lio­nen von Beschäf­tig­ten offi­zi­ell nicht als arbeits­los, obwohl sie von ihrem Ver­dienst nicht leben kön­nen und zusätz­li­che staat­li­che Unter­stüt­zung benötigen.

Dar­über hin­aus führ­ten staat­li­che Kon­junk­tur­pro­gram­me, das gestei­ger­te Inter­es­se am Kon­sum und die Schaf­fung neu­er Unter­neh­mens­be­rei­che für eine wach­sen­de Kon­junk­tur. Selbst die welt­wei­te Finanz­kri­se im Jahr 2008 ver­ur­sach­te nur einen leich­ten, noch dazu vor­über­ge­hen­den, Anstieg der Arbeitslosigkeit.

Dann sieht die Lage doch gut aus, oder?

Das stimmt nur zum Teil. Die Sta­tis­ti­ken zur Arbeits­lo­sig­keit spie­geln nicht die Rea­li­tät wie­der. Das liegt dar­an, dass die­ses The­ma sehr kom­plex ist und die Zah­len nur den Durch­schnitt für Gesamt­deutsch­land und alle Beschäf­tig­ten angeben.

Die Arbeits­lo­sig­keit schwankt sehr stark. Sie ist nicht nur von Regi­on zu Regi­on, son­dern sogar von Stadt zu Stadt ver­schie­den. Dar­über hin­aus sind eini­ge Grup­pen von Arbeit­neh­mern stär­ker von Arbeits­lo­sig­keit betrof­fen als ande­re. Beson­ders stark betrof­fen sind unter anderem:

  • Arbeit­neh­mer über 50 Jahre
  • Beschäf­tig­te ohne oder mit nur gerin­ger Qualifikation
  • Mit­bür­ger mit Migrationshintergrund

In den sta­tis­ti­schen Anga­ben zur Arbeits­lo­sig­keit ver­birgt sich ein Sockel von Lang­zeit­ar­beits­lo­sen, die zum Teil bereits seit Jah­ren kei­ne Arbeit fin­den kön­nen. Dahin­ter ver­ste­cken sich har­te Ein­zel­schick­sa­le und auch Men­schen, wel­che staat­li­che Sys­te­me für per­sön­li­che Inter­es­sen nut­zen. Wor­auf wir in unse­rem Bei­trag jedoch nicht wei­ter ein­ge­hen möchten.

In den ver­gan­ge­nen Jah­ren konn­te man jedoch fest­stel­len, das gera­de in spe­zia­li­sier­ten Berei­chen (die eine fach­li­che Eig­nung benö­ti­gen) ein erhöh­te Bedarf besteht, wel­chen wir in Deutsch­land nicht decken können.

Der soge­nann­te Fach­kräf­te­man­gel wirkt sich in allen Bran­chen aus. Hin­ge­gen zeigt sich auch ein Trend ab, dass kör­per­lich anstren­gen­de Tätig­kei­ten ver­mehrt durch aus­län­di­sche Kräf­te geleis­tet wer­den. Durch den in Deutsch­land gezahl­ten Min­dest­lohn, ist es die­sen Arbeit­neh­mern oft auch mög­lich, einen Groß­teil Ihrer Ent­loh­nung ihren Fami­li­en im Aus­land zukom­men zulassen.

Wie geht die Entwicklung weiter?

Eine Pro­gno­se dürf­te sich gera­de im Rah­men der welt­wei­ten Coro­na-Pan­de­mie und deren wirt­schaft­li­chen Aus­wir­kun­gen schwer ablei­ten las­sen. Aktu­el­le Zah­len aus den USA zei­gen jedoch auf, dass wir ein star­kes wirt­schaft­li­ches Sys­tem benö­ti­gen, um hier rich­tig ent­ge­gen­zu­wir­ken. Zusätz­lich dazu wur­de in den ver­gan­ge­nen Mona­ten ein abflau­en­des Wachs­tum der Welt­wirt­schaft prognostiziert.

Par­al­lel dazu führt die vor­an­schrei­ten­de Digi­ta­li­sie­rung in den kom­men­den Jah­ren zu einem not­wen­di­gen Umden­ken in unse­rer klas­si­schen Indus­trie und der Gewer­be­trei­ben­den, um hier zukunfts­fä­hig durch die kom­men­den Jahr­zehn­te zu kommen.

Es ist wohl auch hier lei­der davon aus­zu­ge­hen, das zukünf­tig eine gerin­ge­re mensch­li­che Arbeits­kraft zur Erzeu­gung von Waren und Dienst­leis­tun­gen not­wen­dig sein wird. Um hier wei­ter­hin einen all­ge­mei­nen Wohl­stand in der Bevöl­ke­rung zu sichern, wer­den in den west­li­chen Staa­ten bereits unter­schied­li­che Kon­zep­te, wie zum Bei­spiel ein Grund­ein­kom­men erar­bei­tet und getestet.

Fest steht: Der Arbeits­markt ver­än­dert sich. Wäh­rend der Bedarf der Indus­trie an Arbeits­kräf­ten schrumpft, steigt die Nach­fra­ge im aus­füh­ren­den Hand­werk und dem Dienstleistungssektor.

Dar­über hin­aus arbei­ten ver­mehrt Men­schen in krea­ti­ven Beru­fen wie Desi­gner, Soft­ware­ent­wick­ler oder Schrift­stel­ler. Zudem wer­den neue bis­her unbe­kann­te Beru­fe entstehen.

Dies erfor­dert teil­wei­se jedoch auch ein Umden­ken in der Bevöl­ke­rung und ein gemein­sa­mer Auf­bruch ins Neue und dem Lösen von bis­her gewohn­ten Arbeits- und Denkweisen.

Es ste­hen uns noch Bewäl­ti­gung der aktu­el­len Kri­se wei­te­re gro­ße Her­aus­for­de­run­gen bevor: Die Umstruk­tu­rie­rung des Arbeits­mark­tes, die wei­te­re Glo­ba­li­sie­rung und der demo­gra­fi­sche Wan­del, mit einer zuneh­men­den Zahl an Rent­nern und Pen­sio­nä­ren wer­den den Arbeits­markt beeinflussen.

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