Lohnunterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland

Die deut­sche Wie­der­ver­ei­ni­gung ist jetzt 30 Jah­re her. Lan­ge waren die Lebens­ver­hält­nis­se im Wes­ten bes­ser als im Osten. Wie sieht es heu­te damit aus?

Die Bil­der vom Fall der Ber­li­ner Mau­er und von der Wie­der­ver­ei­ni­gung 1990 wer­den älte­re Bür­ger wahr­schein­lich zeit­le­bens nicht ver­ges­sen. Damals in der Wen­de­zeit brach die DDR zusam­men, weil die Bür­ger genug von der Unter­drü­ckung und der Miss­wirt­schaft des SED-Regimes hatten.

An die Wie­der­ver­ei­ni­gung knüpf­ten sie gro­ße Hoff­nun­gen. Sie woll­ten letzt­end­lich den­sel­ben Lebens­stan­dard errei­chen wie die Men­schen in West­deutsch­land. Das­sel­be Ziel hat­te sich auch die Bun­des­re­gie­rung gestellt. Bei genau­er Betrach­tung zeigt sich jedoch, dass es bis heu­te Unter­schie­de zwi­schen West und Ost gibt. Das betrifft auch das Lohngefüge.

Wie groß sind die Einkommensunterschiede zwischen Ost und West?

Die den Gewerk­schaf­ten nahe­ste­hen­de Hans-Böck­ler-Stif­tung stellt zu die­sem The­ma fest, dass Beschäf­tig­te in Ost­deutsch­land im Schnitt unge­fähr 17 Pro­zent weni­ger ver­die­nen als ihre Kol­le­gen in West­deutsch­land. Die­se Anga­ben bezie­hen sich auf Ange­hö­ri­ge des glei­chen Berufs, des­sel­ben Geschlechts und ver­gleich­ba­rer Berufs­er­fah­rung. Kon­kret sehen die berei­nig­ten Ent­gelt­un­ter­schie­de so aus:

  • Hel­fer­tä­tig­kei­ten (Anlern­jobs): – 14,4 Prozent
  • fach­li­che Tätig­kei­ten (Aus­bil­dungs­be­ru­fe): – 17,4 Prozent
  • Spe­zia­lis­ten­tä­tig­kei­ten: – 18,4 Prozent
  • Tätig­kei­ten mit aka­de­mi­schen Grad: – 15,4 Prozent
  • Alle Tätig­kei­ten: – 16,9 Prozent

Der rela­tiv gerin­ge Unter­schied bei Anlern­jobs ist dar­auf zurück­zu­füh­ren, dass in die­sem Sek­tor sehr häu­fig der Min­dest­lohn greift.

Inter­es­sant ist der Fakt, dass die­se Unter­schie­de nicht gleich­mä­ßig in den neu­en Bun­des­län­dern auf­tre­ten, son­dern dass es im Ver­gleich mit West­deutsch­land star­ke Unter­schie­de zwi­schen den ein­zel­nen Bun­des­län­dern gibt:

  • Ber­lin: – 4,5 Prozent
  • Bran­den­burg: – 13,9 Prozent
  • Meck­len­burg-Vor­pom­mern: – 15,3 Prozent
  • Thü­rin­gen: – 16,9 Prozent
  • Sach­sen-Anhalt: ‑17,1 Prozent
  • Sach­sen: – 18,2 Prozent

Woher kommen diese Unterschiede im Einkommen?

Dafür gibt es eine Rei­he von Grün­den. Zu den wich­tigs­ten gehö­ren struk­tu­rel­le Unter­schie­de. In West­deutsch­land sind weit­aus mehr gro­ße Kon­zer­ne ange­sie­delt als in Ost­deutsch­land. Gro­ße Fir­men zah­len im Durch­schnitt höhe­re Gehäl­ter als klei­ne Fir­men. Der Effekt wird noch dadurch ver­stärkt, dass die meis­ten Unter­neh­men, die viel Gewinn machen und gute Gehäl­ter zah­len, eben­falls in West­deutsch­land sitzen.

Einen gro­ßen Bei­trag zu den nied­ri­ge­ren Löh­nen in Ost­deutsch­land leis­tet die dor­ti­ge gerin­ge­re oder feh­len­de Tarif­bin­dung. Bei der Mehr­zahl der Unter­neh­men han­delt es sich um klei­ne oder mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men, die es sich nicht leis­ten kön­nen, Tarif­löh­ne zu zahlen.

In den neu­en Bun­des­län­dern ist zudem der Anteil der Frau­en, die Voll­zeit arbei­ten, noch immer viel höher als in West­deutsch­land. Da Frau­en im Durch­schnitt weni­ger als Män­ner ver­die­nen, wird dadurch das all­ge­mei­ne Lohn­ni­veau gesenkt.

Ein ande­rer Fak­tor ist der Anteil der Mini­jobs, die in den neu­en Bun­des­län­dern deut­lich höher als in West­deutsch­land ist.

Das Lohn­ge­fäl­le zwi­schen Ost und West ist nicht nur von Bun­des­land zu Bun­des­land ver­schie­den, son­dern auch von Bran­che zu Bran­che. So ver­die­nen Ange­hö­ri­ge fol­gen­der Berufs­grup­pen im Osten weni­ger Gehalt:

  • Zer­spa­nungs­me­cha­ni­ker: ‑23,2 Prozent
  • Elek­tri­ker: – 19,3 Prozent
  • Anla­gen­me­cha­ni­ker: – 16,9 Prozent

Am gerings­ten sind die Unter­schie­de in der Fein­me­cha­nik-Optik (-3,4 Pro­zent), bei Redak­teu­ren (-7 Pro­zent) und in der For­schung (- 8 Prozent).

Lebenshaltungskosten in Ostdeutschland billiger als im Westen

Die­ser Fakt sorgt für einen zumin­dest teil­wei­sen Aus­gleich des Lohn­ge­fäl­les. Zwar sind die Prei­se für vie­le Güter gleich, aber Mie­ten, Prei­se für Hand­wer­ker, Taxi­fahr­ten, der Platz im Pfle­ge­heim oder der Füh­rer­schein sind im Osten bil­li­ger als im Wes­ten. Ein aus­ge­wähl­tes Ange­bot von Waren und Dienst­leis­tun­gen ist zum Bei­spiel in Leip­zig um ca. 30 Pro­zent bil­li­ger als in Mün­chen. Im Schnitt sind die Lebens­hal­tungs­kos­ten in den neu­en Bun­des­län­dern um 5 Pro­zent güns­ti­ger als in West­deutsch­land. Die­ser Umstand ver­mag jedoch das Lohn­ge­fäl­le nicht, oder zumin­dest nur teil­wei­se, auszugleichen.

Das hat zur Fol­ge, dass die durch­schnitt­li­chen Real­ein­kom­men in Ost­deutsch­land unge­fähr 15 Pro­zent unter denen in West­deutsch­land liegen.

Wer profitiert von diesem Lohngefälle?

Die größ­ten Gewin­ner des Lohn­ge­fäl­les sind die ost­deut­schen Rent­ner. Im Gegen­satz zu den Rent­nern im Wes­ten haben sie in der Mehr­zahl der Fäl­le einen unun­ter­bro­che­nen Lebens-Arbeits­ver­lauf, weil es in der ehe­ma­li­gen DDR wenigs­tens offi­zi­ell kei­ne Arbeits­lo­sig­keit gab.

Dadurch erge­ben sich län­ge­re Bei­trags­zei­ten und somit höhe­re Ren­ten als im Wes­ten. Bei ost­deut­schen Frau­en ist die­ser Trend sogar noch stär­ker aus­ge­prägt. Sie bekom­men eine höhe­re Ren­te als die Rent­ne­rin­nen im Wes­ten und pro­fi­tie­ren zur sel­ben Zeit von den nied­ri­ge­ren Lebens­hal­tungs­kos­ten. Das­sel­be trifft übri­gens auch auf Arbeits­lo­se und Hartz IV Emp­fän­ger zu.

Wie geht es weiter?

Anhand der bis­he­ri­gen Ent­wick­lung lässt sich ein­schät­zen, dass sich das Lohn­ge­fäl­le nicht anglei­chen wird. Aller­dings wird sich der Schwer­punkt ver­la­gern. Es wird nicht mehr so gro­ße Unter­schie­de zwi­schen Ost und West geben, son­dern zwi­schen ein­zel­nen Regionen.

Bei­spiels­wei­se sind Städ­te wie Leip­zig, Erfurt und Jena auf einem Wachs­tums­kurs, was sich auch posi­tiv auf die Ein­kom­men aus­wirkt, wäh­rend Orte wie Gel­sen­kir­chen, Duis­burg und Bochum mit ernst­haf­ten struk­tu­rel­len Pro­ble­men zu kämp­fen haben. Dort sieht die Situa­ti­on zum Teil bereits jetzt erheb­lich schlech­ter aus als in vie­len Städ­ten in den neu­en Bun­des­län­dern. Unter­schie­de im Lohn­ni­veau wird es auch in Zukunft geben.

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